IV. Der Traugottesdienst

4. Die musikalische Gestaltung

Zu allen Zeiten ist Musik ein fester Bestandteil menschlicher Alltags- und Feierkultur. Für den jüdisch-christlichen Bereich zeigen im Alten Testament besonders die Psalmen und im Neuen Testament die hymnischen Texte in Verbindung mit den Weisungen Eph 5,19, Kol 3,16 die tiefe Verwurzelung der Musik im Gottesdienst.

Das Singen und Musizieren ist als ein Ausdruck des Lobens und Dankens eng verbunden mit der Lebenswirklichkeit der Menschen: „Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut“ (Ps 13,6). Andererseits führen ausweglose Situationen oftmals in die Klage: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande“ (Ps 137,1 f.).

Auch in der Kasualpraxis der Kirche wirken sich solche anthropologischen und theologischen Grundgegebenheiten aus. Freude und Dank, aber auch Leid und Trauer drängen zu musikalischem Ausdruck. Musik verdichtet die besondere, aus dem Alltag herausgehobene Zeit („Hoch-Zeit“) der gottesdienstlichen Feier und verleiht ihr durch ihre Mehrschichtigkeit Tiefendimension.

Infolge ihrer außerordentlich vielfältigen Struktur und ihrer Fähigkeit, die emotionale Ebene unmittelbar anzusprechen, kann die Musik je nach Situation verschiedene Bedeutungen, Inhalte und Gefühle in sich aufnehmen und zum Ausdruck bringen. Mitunter haften an bestimmter Musik intensive persönliche oder kollektive Gefühle und Erfahrungen; erklingt diese Musik, so werden sie erinnert und vergegenwärtigt. Wenn ein Hochzeitspaar konkrete Musikwünsche äußert, so spielen persönliche Erinnerungen dabei oft eine wesentliche Rolle. Daher ist es sinnvoll, solche Wünsche nach Möglichkeit bei der Gottesdienstgestaltung zu berücksichtigen.

Eine Form der gottesdienstlichen Musik bei der Trauung ist der Gemeindegesang. Die Lieder können einerseits thematisch auf die Situation bezogen sein: Hochzeit, Liebe und Freude, Vertrauen auf Gottes Hilfe, Bitte um Segen, Lob und Dank. Andererseits können sie sich liturgisch-funktional an den gottesdienstlichen Grundschritten orientieren: Eröffnung, Verkündigung, Trauung, Fürbitte und Segen. Findet eine Trauung in zeitlicher Nähe zu einem hohen Fest des Kirchenjahres statt, so kann auch dies bei der Liedauswahl Berücksichtigung finden. Das Gesangbuch enthält einen Schatz von Möglichkeiten für den Gemeindegesang; im Anhang findet sich eine Auswahl dazu besonders geeigneter Lieder. Die Erfahrung, dass sich bei Trauungen die versammelte Gemeinde oftmals als ungeübt im gemeinsamen Singen erweist, braucht nicht zur Resignation zu führen, sondern kann zu kreativen Versuchen ermutigen. Zum Beispiel bieten sich einfache Kehrversmodelle an, in die sich eine Gemeinde leicht einfinden kann, zumal wenn sie vor Beginn oder im Eingangsteil des Trauungsgottesdienstes zum Singen angeleitet wird.

Nicht weniger gehört die Orgelmusik in den Bereich der Musik zu Trauungen – vornehmlich als Musik zum Ein- und Auszug. Äußert das Hochzeitspaar keine besonderen Wünsche, wird sich hier in der Regel die Verwendung der herkömmlichen „festlichen“ Orgelliteratur empfehlen. Wenn Instrument und Interpret die Möglichkeit dazu bieten, kann man besonderen Wünschen des Paares entgegenkommen – beispielsweise durch Orgeltranskriptionen beliebter Stücke. Neben einer musikalisch akzeptablen Darstellung auf der Orgel sollte aber in jedem Fall der ursprüngliche musikalische Kontext und primäre Verwendungszusammenhang des zu spielenden Werkes mitbedacht werden. Werden in gut begründeten und theologisch wie musikalisch reflektierten Fällen Transkriptionen von Musik aus der weltlichen Popmusik gespielt, so kann es hilfreich sein, in diese kommentierend einzuführen. Neben der Musik zum Eingang und Ausgang bietet sich nach dem Ringwechsel eine weitere musikalische Gestaltungsmöglichkeit. Hier ist der liturgische Ort für meditative Orgelmusik. Auch kann – mit großer Freiheit in der Auswahl der Stücke – dem Paar nach dem Gottesdienst ein „musikalisches Ständchen“ geboten werden.

Gelegentlich werden Wünsche nach der Mitwirkung von Solisten, einem Chor oder Musikgruppen geäußert. Sie können verschieden motiviert sein: Das Paar möchte eine Darbietung, die die Feierlichkeit des Anlasses erhöht. Manchmal schwingt auch ein gesellschaftliches Repräsentationsbedürfnis mit. Der Wunsch nach bestimmten Instrumenten kann wie der Wunsch nach bestimmten Stücken aus dem konkreten Lebensbezug erwachsen: Ein Lieblingslied soll gesungen werden; das Instrument, welches selbst gespielt oder besonders geschätzt wird, soll erklingen. Mitunter wollen auch Freunde und Verwandte etwas zur Feier beitragen. Wiederum wird eine einfühlsame Wahrnehmung der jeweiligen Motive dazu beitragen, die Vorschläge hinsichtlich des Stils, des Repertoires, der Art und des Niveaus der musikalischen Gestaltung mit dem gottesdienstlichen Geschehen in Einklang zu bringen.

Musik ohne primäre gottesdienstliche Bindung bzw. ohne geistliche Texte – ob Vokalmusik, Instrumentalmusik oder sonstige Musik – sollte nicht rigoristisch aus dem Gottesdienst ausgeschlossen werden. In den meisten Fällen wird es zwanglos gelingen, Motive und Inhalte, die nicht explizit oder nicht originär christlich sind, auf den Zuspruch und Anspruch des Evangeliums hin transparent zu machen, sie mithin in christlicher Perspektive – durchaus auch kritisch – zu interpretieren, statt sie von vornherein auszuschließen. Solche Musik darf dem gottesdienstlichen Geschehen jedoch auch nicht widersprechen.

Einen besonderen Fall stellt der Einsatz von Tonträgern im Gottesdienst dar. Sie können die lebendige Musikausübung nicht ersetzen; darin besteht ihre Grenze. So können sie auch in Fällen, wenn keine Orgel oder keine Organistin bzw. kein Organist vorhanden sind, nur ein Notbehelf sein. Andererseits eröffnen Tonträger die Möglichkeit, auch außergewöhnliche Stücke zu Gehör zu bringen. Unerlässlich sind sie für die Realisierung von Musikwünschen, die mit den ansonsten vorhandenen Mitteln nicht adäquat darstellbar sind. Dabei ist darauf zu achten, dass sich der Einsatz von Tonträgern organisch in die Dramaturgie des Gottesdienstes einfügt und Spannungsbögen nicht zerstört.

Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ausbil- dungsstände sind Kirchenmusikerinneund Kirchenmusiker als musikalische Fachleute in den Gemeinden grundsätzlich mitverantwortlich für den Gottesdienst und tragen die Verantwortung für dessen musikalische Gestaltung. Deshalb ist der direkte Kontakt zwischen Organistin oder Organist und dem Hochzeitspaar wünschenswert, auch wenn sich dies nicht immer realisieren lässt. Wenn außergewöhnliche Musikwünsche geäußert werden, sind Rücksprachen unbedingt notwendig.